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Sprachverständlichkeit: Ein evolutionärer Schritt zur Beurteilung der Raumakustik

 

Übersicht der Abschnitte in diesem Artikel

 

Motivation

Die Akustik eines Raumes wird traditionell mit Hilfe der Nachhallzeit beurteilt. Dieses Konzept ist letztlich schon 100 Jahre alt. Heutzutage gibt es detaillierte Normen zur Messung der Nachhallzeit (ISO3382), leistungsfähige Messgeräte und Vorgaben bzw. Grenzwerte.
Die Nachhallzeit ist aber ein physikalischer Parameter, der sich aus der Raumgeometrie und der Ausstattung (Absorption) ergibt. Die Nachallzeit ist keinesfalls an unser Hörvermögen angepasst sondern war einfach der erste Paramter mit der die Akustik eines Raumes beschrieben werden konnte.

Einzahlwerte

Im allgemeinen ist man bemüht die akustischen Eigenschaften eines Raumes in einen Einzahlwert zu packen. Ähnliches gibt es bei Schalldämmmaßen.
Einzahlwerte machen es uns einfacher Räume zu vergleichen. Soweit die Theorie. Die Nachhallzeit als Einzahlwert existiert nur im ideal diffusen Schallfeld eines Hallraums. In der Praxis ändert sich die Nachhallzeit mit der Frequenz. Wir haben daher dann schon mal eine Tabelle von Nachhallzeiten. Üblicherweise ist die Nachhallzeit in jedem Frequenzband auch noch zeitabhängig. Frühe Reflektionen prägen den Raum anders als später eher diffuser Nachhall.
Wie kann man nun aus dem Zoo an Parametern beurteilen, ob der Raum für Sprachübertragung gut oder schlecht ist? Auch hier gibt es recht komplexe Tabellen (z.B. DIN18041). Wir sind aber vom Einzahlwert weit entfernt.

An dieser Stelle helfen die modernen Verfahren zur Messung der Sprachverständlichkeit. Diese Verfahren berechnen einen Einzahlwert: bei 0 ist keine Verständigung möglich. 1 bedeutet eine optimale Verständlichkeit.

Sprache ist für Menschen

Räume sind aber für Menschen gemacht. Es ist daher wichtig, wie wir mit unseren Ohren einen Raum wahrnehmen. Unser wichtigstes Kommunikationsmittel ist unsere Sprache. Räume sollten daher weniger nach abstrakten Größen wie der Nachhallzeit beurteilt werden, sondern

wie gut ist in diesem Raum die Sprachverständlichkeit.

Für Durchsagesysteme ist dies sogar sicherheitskritisch.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Konzept der Nachhallzeit verfeinert. EDT, T20, T30, C50 usw. Eine Anpassung an unser Gehör ist immerhin die Beurteilung in Terz bzw. Oktavbändern. Dies ist eine Annäherung an die Bark-Skala aus der Psycho-Akustik.

Insgesamt ist die Nachhallzeit mit allen Verfeinerungen nur eine grobe Annäherung an unsere Sprachverständlichkeit. Daher wurden Verfahren zur objektiven Messung der Sprachverständlichkeit entwickelt und international standardisiert (IEC60268-16). Diese relativ komplexen Verfahren wurden Ende der 1970 Jahre entwickelt und haben sich mittlerweile etabliert und sind ein wichtiger Bestandteil der Raumakustik. Heutzutage gibt es eine Vielzahl von einfach zu bedienenden Messgeräten, mit der die Sprachverständlichkeit zuverlässig gemessen werden kann.

Wo wird die Sprachverständlichkeit gemessen?

In allen Bereichen wo Sprache im Vordergrund steht.

  1. Sprachalamierungsanlagen (SAA) und Elektroakustisches Notfallwarnsysteme (ENS). In solchen sicherheitskritischen Anwendungen sind Grenzwerte für die sprachverständlichkeit zwingend vorgeschrieben.
  2. Elektrische Lautsprecheranlage (ELA)
  3. Schulungsräume
  4. Büroräume
  5. Räume in den auf Abschirmung Wert gelegt wird. Das können Räume mit hoher Vertraulichkeit sein (Abhörsicherheit) oder auch Ruhe und Komfortzonen.

Wie hoch sollte die Sprachverständlichkeit (STI) sein?

Der Wertebereich der Sprachverständlichkeit liegt zwischen 0 (keine Verständigung möglich) und 1.0 (optimale Sprachverständlichkeit).
In den meissten Fällen strebt man eine möglichst hohe Sprachverständlichkeit an. Für sicherheitskritische SAA und ENS ist ein Mindestwert für STI von 0.5 vorgeschrieben. Hier geht es um die Notwendigkeit der Kommunikation, weniger um angenehme Akustik.
Die Sprachverständlichkeit in Konferenz oder Schulungsräumen sollte deutlich darüber liegen.

Es gibt aber auch Anwendungen, wo die Sprachverständlichkeit möglichst gering sein sollte, um Vertraulichkeit zu schaffen.
Liegt der STI unterhalb von 0.3, so ist keine Verständigung über Sprache möglich.

Hinweise für Planer

Die Sprachverständlichkeit (STIPA) läßt sich heutzutage einfach messen. Man erhält damit den Ist-Zustand eines Raumes. Aus diesem Messwert möchte man jetzt Maßnahmen ableiten, welche Absorber wo eingebaut werden müssten, um eine gewünschte Ziel-Sprachverständlichkeit zu erreichen.

Solche Werkzeuge zur Simulation existieren. Diese sind aber komplex und anspruchsvoll in der Bedienung.

Bei der klassischen Nachhallzeit kann man mit einfachen Werkzeugen, basierend auf der Formel von Sabine, die Auswirkungen von Absorptionsflächen auf die Nachhallzeit simulieren. Hier kann man sehr einfach zwischen Ist und Soll variieren.
Bei der Sprachverständlichkeit muss aber die räumliche Ausbreitung der Schallwellen simuliert werden. Spezialisierte Simulationswerkzeuge verwenden meist die Spiegelmethode. Aufwendig und anders als bei der Sabine-Methode muss der Raum in 3D mit CAD erfasst werden. Es ist wichtig, nicht nur die Absorptionsfläche, sondern auch deren Position im Raum anzugeben. Solche Simulationen erfordern einen hohen Aufwand und viel Erfahrung, und werden daher nur für anspruchsvolle Aufgaben eingesetzt.

Die Messung der Sprachverständlichkeit nach DIN60268-16

Sprachverständlichkeit ist der Schlüssel menschlicher Kommunikation. Für Notfallwarnsysteme, Telekomunikationssysteme, Durchsagesysteme ( z.B. in Bahnhöfen) oder allgemein Räume zur Sprachdarbietung (Schulungsräume) verringert eine ungünstige Sprachverständlichkeit nicht nur deren Funktion, sondern ist auch sicherheitskritisch.

In vielen Ländern existieren daher gesetzliche Mindestanforderungen an die Sprachverständlichkeit. Für öffentliche Neubauten muss die Sprachverständlichkeit durch Messungen dokumentiert werden. In den meisten Fällen muss dabei die Norm DIN EN 50849 VDE 0828-1:2017-11 Elektroakustische Notfallwarnsysteme bzw. DIN IEC 60849(veraltet)  oder ISO 7240-16 berücksichtigt werden.

Die Beurteilung der Qualität von Lautsprecheranlagen erfolgt vielfach anhand der klassischen Parameter wie Frequenzgang, Klirrfaktor, Lautstärke etc. Diese Größen haben zwar Einfluss auf die Sprachverständlichkeit, allerdings kann diese nicht daraus abgeleitet werden.

Elektroakustische Notfallwarnsysteme gemäß DIN EN 50849 VDE 0828-1:2017-11

Gerade für Notfallanlagen, bei denen im Ernstfall eine Durchsage von allen Personen im Gefahrenbereich verstanden werden muß, ist die Sprachverständlichkeit des Gesamtaufbaus von elementarer Bedeutung. In diesen Bereichen ist der Nachweis der Sprachverständlichkleit gemäß - DIN EN 50849 VDE 0828-1:2017-11 Elektroakustische Notfallwarnsysteme - vorgeschrieben.

Wie kann Sprachverständlichkeit gemessen werden?

Man unterscheidet hier zwei grundsätzliche Klassen von Verfahren zur Messung der Sprachverständlichkeit:

Subjektive Verfahren: Eine Durchsage bzw. spezielle Wortfolgen werden von mehreren Probanden gehört und beurteilt. Durch statistische Auswertungen werden Parameter für die Sprachverständlichkeit abgeleitet. Letztlich ist die Sprachverständlichkeit für menschliche Zuhörer die Referenz, allerdings sind diese Verfahren sehr aufwendig und kaum reproduzierbar. Solche Tests sind in der Norm ISO4870 standardisiert.

Objektive Verfahren: Mit Hilfe von speziellen Meßsignalen werden Parameter abgeleitet, die anhand von aufwendigen Untersuchungen möglichst gut mit subjektiven Sprachtests korrelieren. Sehr weit verbreitet sind Verfahren basierend auf der DIN/ IEC 60268-16, die auch die Grundlage von AkuLap bilden. Durch die Standardisierung ist eine hohe Reproduzierbarkeit gegeben und viele Fehlerquellen bei subjektiven Tests entfallen. Die Klasse der Verfahren wird mit STI (Speech Transmission Index) bezeichnet.

Im folgenden beschäftigen wir uns nur mit den objektiven Verfahren nach DIN60268-16.

DIN60268-16

Die Berechnung der Parameter STI (Speech Transmission Index), RASTI (Room Analysis Speech Transmission Index) und STI-PA erfolgt gemäß der Norm DIN/IEC 60268-16. In den aktuellen Versionen der Norm Edition 4 und 5 ist RASTI nicht mehr enthalten. Diese Norm ist sehr technisch und erfordert einen hohes Hintergrundwissen.

STI Speech Transmission Index

Bei diesem Test wird die menschliche Sprache durch moduliertes bandbegrenztes Rauschen moduliert. Verschiedene Einflüße des Übertragungssystems wie Nachhall, Verzerrungen, Hintergrundgeräusche verringern die Modulation der Testsignale. Diese Verringerung der Modulation wird über alle Frequenzbänder und Modulationsfrequenzen zu einem Parameter zusammengefaßt, dem Sprachverständlichkeitsindex, der im Bereich von 0.0 (unverständlich) bis 1.0 (exzellent verständlich) liegen kann. Damit kann man mit einem Wert die Sprachverständlichkeit mit einem Einzahlwert beschreiben und vergleichen.

Index    Kommentar
0.0-0.3    unverständlich/bad
0.3-0.43    schwach/poor
0.43-0.6    angemessen/fair 
0.6-0.75    gut/good
0.75-1.00    ausgezeichnet/excellent

Ab der Edition 4.0 der Norm 60268-16 wurden die Bereiche verfeinert. Zur bessren Übersicht haben wir hier zunächst die ältere Verion eingefügt

Meßverfahren für Sprachverständlichkeit

Für STI sind zwei Meßverfahren möglich.

Direkte Methode mit moduliertem Rauschen (die häufigste Variante : STIPA)

Die klassische, direkte Methode verwendet moduliertes Rauschen und misst direkt den Modulationsverlust. Für alle Oktavbänder und alle Modulationsfrequenzen ist diese Verfahren jedoch sehr zeitaufwendig. In den letzten Jahren hat sich jedoch die STI-PA Methode bewährt, die nur ein Bruchteil der möglichen Kombinationen verwendet. Dafür läßt sich bei diesem Verfahren die Meßdauer auf ca. 20s begrenzen. Der Meßaufbau ist sehr einfach, so dass kein großer Trainingsaufwand notwendig ist.

Indirekte Methode über die Raum-Impulsantwort

Die zweite Methode  basiert auf der Raumimpulsantwort. Durch mathematische Verfahren, kann aus der Impulsantwort die Sprachverständlichkeit berechnet werden. Im Rahmen von raumakustischen Untersuchungen wird vielfach sowieso die Raumimpulsantwort gemessen. Dann stellt die Ermittlung der Sprachverständlichkeit keinen zusätzlichen Aufwand dar, sondern fältl bei der normalen Auswertung mit ab. Insbesondere kann hier direkt der volle STI-Wert mit allen Bändern und Modulationsfrequenzen ermmitelt werden. Die Messmethode ist allerdings aufwendiger und nicht für alle zu messenden ELA-Anlagen möglich, gleichzeitig wird jedoch die komplette Raumakustik mit vermessen, so dass die Ergebnisse wesentlich aussagefähiger sind.

Welcher Frequenzbereich ist wichtig für die Sprachverständlichkeit?

Die STI-Methode verwendet 7 Oktavbänder im Bereich 125Hz bis 8kHz. Aus allen Bändern wird ein Einzahlwert, die Sprachverständlichkeit ST,I berechnet.

Welche Empfehlungen gibt es für die Sprachverständlichkeit?

Dieser Wert  (STI) kann zwischen 0 und 1.0 liegen. Ein Wert von 0 bedeutet das keine Sprachverständigung möglich ist. 1.0 bedeutet eine ideale Sprachverständlichkeit.

Je nach Raumart  mit unterschiedlicher Nutzung gibt es Empfehlungen zur Orientierung. Im allgemeinen wird eien möglichst hohe Sprachverständlichkeit angestrebt.

STI empfehlungen

Wann sollte die Sprachverständlichkeit möglichst gering sein?

In manchen Anwendungen ist eine  geringe Sprachverständlichkeit erwünscht. Dies ist offensichtlich mit Bereichen, wo Vertraulichkeit erwünscht ist. Man muss jedoch nicht nur an Abhörsicherheit denken.

In Großraumbüros ist eine geringe Sprachverständlichkeit gewünscht, einfach um die Mitarbeiter nicht durch "Gesprächsfetzen" von den Nachbarn abzulenken. Hier geht es gar nicht um Geheimnisse, sondern um die Konzentration zu fördern.

Ein anderes anschauliches Bespiel ist vermutlich jedem aus einem Restaurant bekannt. Die Sprachverständlichkeit am eigenen Tisch sollte möglichst hoch sein, gegenüber den Nachbartischen jedoch möglichst gering.

Die direkte Methode zur Messung der Sprachverständlichkeit (STIPA) nach DIN60268-16

Die direkte Methode ist etwas anschaulicher und finden Sie als STIPA Methode in verschiedenen Mess-Geräten. Die indirekte Methode ist deutlich effizienter und genauer. In diesem Teil behandeln wir jedoch nur die direkte Methode.

Schauen wir uns zunächst das STIPA Testsignal an. Es besteht aus einem Rauschsignal, das amplituden-moduliert (AM) ist.

Dieses Signal hat zunächst nichts mit menschlicher Sprache zu tun. Viele statistische Größen entsprechen allerdings der menschlichen Sprache.

Die Grundidee ist, dass durch Störeinflüsse, insbesondere Nachhall, der Modulationsgrad des Signals verringert wird.

STIPA noise modulation

Letzlich passiert mit menschlicher Sprache durch Nachhall genau das. Die Modulation geht verloren und die Sprachverständlichkeit verrringert sich.

Und genau diese Verringerung der Modulation kann automatisch bei dem STI-Signal gemessen werden und daraus die Sprachverständlichkeit berechnet werden. Die STI-Methode wertet nur den Frequenzbereich zwischen 125 und 8000Hz aus. Dieser Frequenzbereich wird in 7 Oktavbänder eingeteilt. (Eine Oktave ist immer eine eine Verdoppelung der Frequenz).

Eine STI-Messung dauert lange!

Pro Oktavband werden 14 Modulationsfrequenzen zwischen 0.63Hz und 12Hz verwendet. Aufgrund der geringen Modulationsfrequenzen dauert eine Messung pro Modulationsfrequenz ca. 20s. Immerhin können alle 7 Oktavbänder prinzipiell gleichzeitig gemessen werden. Eine vollständige STI-Messung dauert daher ca. 5min. Dies ist in der Praxis recht unhandlich. Daher existiert eine vereinfachte Variante, die STI-PA Methode.

Die STI-PA Methode ist wesentlich schneller

Die STI-PA Methode verwendet lediglich zwei Modulationsfrequenzen pro Oktavband. Dabei sind die Modulationsfrequenzen so ausgelegt, dass alle Werte in einem Durchgang gemessen werden können. Eine STI-PA Messung dauert daher nur ca. 20s. Dieses Messverfahren finden Sie in verschiedenen Handschallpegelmessern z.B. NTI Xl2 oder Bedrock SM50/90 und AM100.STIPA octave bands de

Testsignal für eine STIPA Messung

Das Testsignal für STIPA enthält moduliertes Rauschen in 7 Okavbändern.

Wie sieht eine praktische STIPA Messung nach DIN60268-16 aus?

Über einen Lautsprecher wird das STIPA Signal kontinuierlich abgestrahlt. An verschiedenen Messpositionen im Raum wird das Messmikrofon aufgebaut und die Messung gestartet. Die Messung ist vollautomatisch und liefert nach ca. 20s einen Messwert. Bitte beachten Sie, dass die STIPA-Methode pegelabhängig ist. Die optimale Lautstärke des Sprachsignals liegt bei 65dBA. Ein sehr lautes sowie ein sehr leises Signal verschlechtern die Sprachverständlichkeit. Die Messkette muss daher kalibriert sein.

Bei Sprachalamierungsanlagen (SAA) wird das Testsignal in der Regel elektrisch eingespeist. In Einzelfällen wird jedoch eine "Talkbox" benötigt, wenn das Durchsagemikrofon mit erfasst werden soll.

Welche Geräte benötigen Sie für eine STIPA Messung?

  1. Das STIPA-Messgerät, in der Regel auf Basis eines Handschallpegelmessers. z.B. Bedrock SM50 oder der NTI XL2

    sm50 STIPA

  2. Ein Schallpegelkalibrator ist zwar nicht zwingend in der DIN60268-16 vorgeschrieben. Eine kalibrierte Messkette ist jedoch erforderlich, um die Pegelabhängigkeit und das Hintergrundgeräusch zu erfassen. Es ist eine allgemein anerkannte Praxis, das Messgerät vor jeder Messung zu kalibrieren. Dies ergibt auch aus einschlägigen Normen wie ISO1996. Im Bereich der Sprachverständlichkeit ist ein Kalibrator der Klasse 2 (z.B. Center 326) ausreichend.

    cal326 cut

  3. Eine Quelle für das Test-Signal (STIPA-Rauschen). Das Testsignal kann elektrisch oder akustisch eingespeist werden. Soll das Durchsagemikrofon mit getestet werden (und auch die Raumakustik im Durchsageraum), so benötigen Sie eine Schallquelle, die den menschlichen Mund simuliert. Dies ist in der Regel eine "Talkbox"- ein Testlautsprecher zur Messung der Sprachverständlichkeit.

    Talkbox bedrock

Berücksichtigung von Hintergrundgeräuschen bei Messungen der Sprachverständlichkeit (STIPA) nach DIN60268-16

Grundlagen

Die Sprachverständlichkeit an einem Punkt im Raum (Empfangsort) wird zum einen von Parametern des Übertragungssystems (also Raum und ggf. Lautsprecheranlage+Mikrofon), wie z.B. Raumakustik, Schallpegel des Testsignals, Frequenzgang oder z.B. Verzerrungen bestimmt.
Einen ganz zentralen Einfluss hat jedoch der Hintergrundlärm. Es ist offensichtlich das eine optimale Akustik von dem Geräusch eines Kompressor drastisch verschlechtert wird. Eine Sprachverständigung ist kaum möglich. Ein menschlicher Sprecher würde unbewusst seine Sprache anheben bis hin zum Schreien. Bei einer Lautsprecheranlage (ELA)könnt e man den Pegel erhöhen.
In einem gewissen Rahmen kann dadurch eine gewisse Sprachverständlichkeit wieder erreicht werden.
Aber, schreien strengt an und nicht jede ELA hat ausreichend Pegelreserven. Ab einem gewissen Pegel ist aber unser Ohr begrenzend, d.h. wir können die Sprachverständlichkeit durch höhere Pegel nicht mehr verbessern.

Es ist daher nicht ausreichend die Sprachverständlichkeit z.B. eines Evakuierungssystems (ENS) in einem leeren Kaufhaus zu messen. Die Sprachverständlichkeit eines solchen Systems muss jedoch gerade bei dem Lärm einer Notfallsituation verstanden werden.

Signal-zu Rauschabstand

Der Signal-zu Rauschabstand (SNR) hat einen wichtigen Einfluss auf die Sprachverständlichkeit. Der SNR berechnet sich aus dem Pegeldifferenz des Nutzsignal und des Störsignals. Die Pegeldifferenz wird in dB angegeben. Der SNR sollte für STI-Messungen in Oktav-Bändern bestimmt werden. Je schlechter das SNR, desto schlechter ist auch die Sprachverständlichkeit. Das SNR liegt für STI-Messungen in einem relevanten Bereich von –15dB bis +15dB. Das bedeutet auch, wenn der SNR bereits bei +15dB liegt, kann die Sprachverständlichkeit durch Pegelerhöhung nicht mehr verbessert werden.

Pegelabhängigkeit der Sprachverständlichkeit

Die Sprachverständlichkeit hängt auch vom absoluten Pegel des Sprachsignals ab. Bei sehr niedrigen Pegeln überwiegt das Rauschen und die Sprachverständlichkeit ist schlecht. Das menschliche Ohr ist sehr leistungsfähig, da der Pegel des Sprachsignal sogar unterhalb des Störsignals liegen darf.

Nimmt der Signal-Pegel zu, verbessert sich der Störabstand und auch die Sprachverständlichkeit. Ab einer bestimmten Lautstärke nimmt die Sprachverständlichkeit durch Maskierungseffekte wieder ab. Dieser Effekt wird durch die STI-Methode simuliert. Hohe Pegel führen daher zu einer Abwertung der Sprachverständlichkeit. Aus diesem Grund müssen STI-Messungen auch kalibriert durchgeführt werden, um den absoluten Schallpegel zu erfassen.

Wie laut darf der Hintergrundlärm sein?

In diesem Bereich wurden viele Hörversuche durchgeführt, die letztlich in das Modell der DIN60268-16 führten.
Relevant sind die 7 Oktavbänder von 125Hz bis 8000Hz.
In jedem Oktavband ist der Signal-zu Rauschabstand (SNR) entscheidend. Der Pegel der Hintergrundlärms muss in Bezug gesetzt werden zu dem typischen Pegel der Sprache.

In dem Modell der DIN DIN60268-16 wird der Signal-zu Rauschabstand in den 7 Oktavbändern benötigt.

Der relevante Bereich für den Signal-zu Rauschabstand liegt zwischen -15dB und +15dB.

Liegt der Pegel der Sprache 15dB unterhalb des Störpegel, so ist eine Sprachverständlichkeit nicht mehr möglich (STI=0).

Haben der Pegel der Sprache und der Hintergrundlärm den gleichen Pegel, so ist die Sprachverständlichkeit STI=0.5.

Ist der Hintergrundlärm so gering, dass der Pegel der Sprache in allen Oktavbändern 15dB oberhalb des Hintergrundlärms liegt, so führt der Hintergrundlärm zu keiner Abwertung mehr. Das bedeutet, wir können die Sprachverständlichkeit nicht mehr verbessern, indem wir den Störpegel weiter verringern.

Wie wird eine praktische STIPA-Messung durchgeführt mit Berücksichtigung des Hintergrundlärms?

Es ist in den meisten Fällen leider nicht praktikabel eine Messung der Sprachverständlichkeit während des normalen Publikumsverkehrs durchzuführen, da dies zu einer erheblichen Belästigung führt. Desweiteren kann das Hintergrundgeräusch die STI-Berechnung stark verfälschen, insbesondere wenn tonale oder impulsive Komponenten enthalten sind.

Daher ist es sinnvoll, die Messung ohne Publikum durchzuführen und den zu erwartenden Hintergrundlärm durch einen Korrekturfaktor pro Oktavband getrennt zu berücksichtigen.

Grundregel

Bei jeder Messung sollte als erstes der Hintergrundlärm in Oktavbändern vermessen oder abgeschätzt werden. Im zweiten Schritt sollte der Sprachpegel vermessen oder abgeschätzt werden.
Die Differenz dieser Oktavpegel bildet den Signal-zu Rauschabstand. Dieser sollte dokumentiert werden.
Ist dieser größer als 15dB, so kann der Hintergrundlärm unberücksichtigt bleiben.
Ist der jedoch kleiner als -15dB, so kann man sich die STIPA-Messung zunächst sparen, denn der Wert wird 0 (unverständlich) sein. In solchen Fällen muss man sich erst um den Signal-zu Rauschabstand kümmern.

  1. Messung des Hintergrundlärms im normalen Betrieb
  2. Messung des Sprachpegels
  3. Durch Differenzbildung der 7 Pegel in Oktavbändern erhalten wird den Signal-zu Rauschabstand. Relevant sind -15dB bis +15dB
  4. STIPA-Messung ohne Hintergrundlärm (leer)
  5. In der Nachbearbeitung (Post-Processing) wird der Signal-zu Rauschabstand berücksichtigt