Messverfahren für raumakustische Parameter nach ISO/DIN3382
Definition der Nachhallzeit (RT60)
Die Nachhallzeit ist einer der wichtigsten Parameter in der Raumakustik. Dieser Wert gibt die Zeit an, nach der die Schallenergie nach Abschalten des Anregungssignals um einen bestimmten Betrag abgesunken ist. Sehr weit verbreitet ist der Wert RT60, der die Abklingzeit bis auf –60dB vom Ausgangswert beschreibt. Die Nachhallzeit ist abhängig von der Frequenz, da die verschiedenen Materialien in einem Raum den Schall bei den verschiedenen Frequenzen unterschiedlich stark absorbieren. Die Nachhallzeit wird bestimmt durch die Absorptionsfläche und das Raumvolumen.
Welche Messverfahren gibt es zur Messung der Nachhallzeit?
Im Bereich der Messung der Nachhallzeit (RT60) haben sich folgende Messverfahren etabliert:
- Direkt mit Impulsanregung Knall/Explosion
- Abgeschaltetes Rauschen
- Korrelationsverfahren mit MLS
- Korrelationsverfahren mit Chirp (Log-Sweep)
Jedes dieser Messverfahren besitzt spezifische Vor- und Nachteile. Unser Messsystem Akulap unterstützt alle Messverfahren. Daher können Sie je nach Aufgabenstellung das optimale Verfahren verwenden. Durch die Unterstützung von mehreren Messverfahren können Sie auch Fehler im Aufbau leicht erkennen, indem Sie einen Raum mit verschiedenen Verfahren vermessen.
Die Verfahren werden hier nur kurz zusammengefasst.
Messung der Nachhallzeit durch Impulsanregung
Direkte Messung mit Impulsanregung durch Knall/Explosion. Als einziges Messverfahren wird hier kein Lautsprecher benötigt. Der Raum wird durch einen lauten Knall angeregt und die Antwort des Raumes wird direkt erfasst. Als Schallquellen kommen platzende Ballons, Klatschen (zwei spezielle Bretter werden aufeinander geschlagen), Funkenstrecken oder Pistolen in Frage. In vielen Fällen kann bereits durch einfaches Klatschen mit Hand der Raum im Rahmen einer Orientierungsmessung erfasst werden.
Wie führt man eine Messung der Nachhallzeit mit Impulsanregung durch?
Das Messgerät wird aktiviert („scharfgestellt“) und wartet auf die Schallquelle. Die Schallquelle wird manuell ausgelöst zum Beispiel das Platzen eines Ballons. Das Messgerät erkennt das Schallsignal zeichnet das Signal auf und führt die Berechnung und Auswertung durch. Der reine Messvorgang dauert ungefähr das Doppelte der Nachhallzeit. Die eigentliche Messung ist sehr schnell und hängt eigentlich nur von dem Aufbau und Positionierung von Analysator und Schallquelle ab.
Vorteile:
- Der Messaufbau ist sehr einfach.
- Es werden keine Lautsprecher benötigt.
- Das Messverfahren liefert neben der Nachhallzeit auch die Raumimpulsantwort.
Nachteile:
- Es sind hohe Schallpegel erforderlich, die evtl. zu Hörschäden oder Belästigung der Nachbarschaft führen können.
- Pistolen oder explosive Schallquellen können zu Sicherheitsbedenken führen
- Störquellen fliessen direkt in die Messung ein und verfälschen die Messergebnisse. Daher sind i.A. hohe Schallpegel erforderlich
Messung der Nachhallzeit mit abgeschaltetem Rauschen
Der Raum wird durch einen Lautsprecher mit einem Rauschsignal angeregt. In der Regel verwendet man rosa Rauschen. Das Signal wird nach dem Einschwingvorgang abrupt abgeschaltet und das Abklingverhalten wird analysiert. Dieses Verfahren wird von vielen Handschallpegelmessern verwendet, da die Auswertung nicht rechenintensiv ist. In gewissem Rahmen ist das Verfahren auch „anschaulich“, da aus dem Messsignal die Nachhallzeit zumindest grob optisch abgelesen werden kann. Als einziges Verfahren liefert dieses Verfahren jedoch keine Raumimpulsantwort, die für weitere Analysen erforderlich ist.
Wie führt man eine Messung der Nachhallzeit mit abgeschaltetem Rauschen durch?
Das Messgerät wird aktiviert („scharfgestellt“) und wartet auf die Schallquelle, die aus einem Lautsprecher mit rosa Rauschen besteht. Die Schallquelle wird manuell ausgelöst (z.B. via Fernbedienung) oder automatisch durch das Messgerät. Entscheidend für die Messung ist der Abschaltvorgang. Die Schallquelle kann wiederum manuell oder automatisch abgeschaltet werden. Die Messdauer ist geringfügig länger als bei der Impulsmethode, da der Raum durch die Schallquelle erst einschwingen muss. Insgesamt dominiert aber weiterhin die reine Rüstzeit.
Vorteile:
- Der Messaufbau ist relativ einfach.
- Die Schallquelle muss nicht gesondert mit dem Analyse-System synchronisiert werden. Der Lautsprecher kann einfach mit einer Fernbedienung an- und ausgeschaltet werden.
- RT60 kann grob optisch aus der Abklingkurve abgeschätzt werden
Nachteile:
- Es sind hohe Schallpegel erforderlich, die evtl. zu Hörschäden oder Belästigung der Nachbarschaft führen können.
- Es werden große und schwere Lautsprecher benötigt.
- Störquellen fließen direkt in die Messung ein und verfälschen die Messergebnisse. Daher sind i.A. hohe Schallpegel erforderlich
- Es wird keine Raumimpulsantwort gemessen. Daher muss die Sprachverständlichkeit ggf. getrennt gemessen werden.
Messung der Nachhallzeit mit MLS bzw. Chirp
Diese modernsten Verfahren sind in der DIN 18233 beschrieben. Hier wird der Raum durch ein sehr spezielles Signal über einen Lautsprecher angeregt. Aus der Antwort des Raumes wird durch komplexe mathematische Verfahren die Raumimpulsantwort bestimmt. Diese ist der Schlüssel für alle weiteren Auswertungen nach DIN3382. Die Messverfahren kommen mit einem sehr geringen Signalpegel aus. Daher können auch große Räume mit kleinen Lautsprechern vermessen werden. Die Verfahren MLS und Chirp sind sich relativ ähnlich. Allerdings ist die klassische MLS-Methode mittlerweile überholt, so dass grundsätzlich das Chirpverfahren benutzt werden sollte.
Vorteile:
- Es werden lediglich kleine Lautsprecher benötigt.
- Geringe Belästigung des Umfelds
- Das Messverfahren liefert neben der Nachhallzeit auch die Raumimpulsantwort.
- Sprachverständlichkeit STI nach DIN60268-16 kann direkt mitberechnet werden (indirekte Methode)
Nachteile:
- Berechnung und Auswertung sind komplex. Moderne Messsysteme übernehmen dies jedoch, so dass die Messung sehr intuitiv ist.
- Chirp-Geräusch klingt für Laien ungewohnt und ggf. irritierend.
Wie führt man eine Messung der Nachhallzeit mit der Chirpmethode durch?
Bei der Chirp-Methode wird ähnlich wie bei der Rauschmethode ein Lautsprecher benötigt. Der grundsätzliche Aufbau ist sehr ähnlich. Ein wichtiger Unterschied ist, dass die Lautsprecher und Verstärker wesentlich kleiner und leichter sein können. Weiterhin wird der Lautsprecher direkt an das Messystem angeschlossen (closed-loop). In speziellen Fällen kann der Lautsprecher auch losgelöst vom Analysator sein (open-loop). Das Messystem startet automatisch eine Messung. Moderne Systeme wie Akulap beginnen zunächst mit einer kurzen Messdauer und „horchen“ erstmal in den Raum, um eine grobe Abschätzung der Nachhallzeit zu machen. Mit diesen Informationen stellen diese Messsysteme das weiter Messverfahren optimal ein. Die Messzeit ist bei diesem Verfahren, anders als bei allen andere, Verfahren, frei einstellbar. Je länger die Messzeit ist, um so unempfindlicher ist das System gegenüber Störungen. Eine typische Messzeit sind 5s-20s, also deutlich länger als bei den andere verfahren, aber immer noch gering im vergleich zur Rüstzeit.
Für eine Messung der Nachhallzeit benötigen Sie folgende Komponenten.
- Messsystem (Analysator)
- Messmikrofon
- Lautsprecher mit Verstärker (je nach Messverfahren) oder eine andere Schallquelle. Häufig werden Dodekaeder mit gleichmässiger Abstrahlung in allen Richtungen verwendet.
- Optional Schallpegelkalibrator
Zur Messung der Nachhallzeit ist eine Kalibrierung nicht unbedingt erforderlich. Allerdings hilft ein Bezugspegel, Störgeräusche leichter zu identifizieren. Außerdem kann die Messkette in einem Schritt leicht überprüft werden. Am einfachsten erfolgt dies mit einem Schallpegelkalibrator.
Welche Arten von Messgeräten gibt es zur Messung der der Nachhallzeit.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Geräten.
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Handheldgeräte
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PC-gestützte Messsyteme
Handheld-Geräte zur Messung der der Nachhallzeit
Diese Geräte ähneln klassischen Schallpegelmessern und sind hauptsächlich auch für diese Aufgabe ausgelegt. Alle Geräte dieser Art können mit der Rauschmethode messen. Einige hochwertigere Geräte können auch mit Impuls messen. Sehr wenige Geräte (eigentlich nur die High-End Klasse) bieten auch die Chirp-Methode an.
PC-gestützte Geräte zur Messung der der Nachhallzeit
Ein solches System besteht aus einem Laptop mit der Auswertungssoftware z.B. Akulap und einem kalibriertem Messmikrofon. Ein solches Gerät ist natürlich nicht so kompakt, bietet aber aber Messung und Auswertung in einem Gerät. Durch die größere Anzeige ist die Messung übersichtlicher und einfacher zu bedienen. Solche Messsysteme bieten einen erheblich größeren Funktionsumfang. Die leitungsfähigsten Messverfahren finden Sie nur in solchen Geräten.