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Wie kann der Frequenzgang eines Mikrofons vermessen werden?

Ein Mikrofon setzt ein Schalldruck in eine elektrische Spannung um.

Wie kann man das Übertragungsverhalten für unterschiedliche Frequenzen messen?

Der Königsweg: Eine Absorberkammer (Schalltoter Raum)

anechoic chamber

 

Freifeldbedingungen für Schall bedeutet die freie Ausbreitung als Kugelwelle. Diese theoretischen Bedingungen können in der Praxis nur mit Einschränkungen erreicht werden. Jedes Objekt in der Nähe der Schallquelle oder des Mikrofons führt zu Reflektionen des Schalls. Diese Reflektionen führen zu unerwünschten Absenkungen oder Überhöhungen des Frequenzgangs. Man bemüht sich, alle Wände und andere reflektierende Flächen mit absorbierenden Materialien auszukleiden. Für höhere Frequenzen (>300Hz) gelingt das recht gut mit porösen Materialien (Schaumstoff, Dämmwolle). Bei tiefen Frequenzen wird dies jedoch weitaus schwieriger.

Absorberkammern müssen möglichst groß sein, um einen großen Abstand zu den Wänden zu haben. Insgesamt ist der Aufwand für leistungsfähige Absorberkammern enorm. Daher verfügen nur wenige Labore über solche Räume.

Steht ein solcher Raum jedoch zur Verfügung, so verwendet man die Substitutionsmethode. Eine Schallquelle wird mit einem Referenzmikrofon vermessen. Danach wird an der identischen Position das Testmikrofon vermessen. Die Differenz zum Referenzmikrofon ergibt den gewünschten Frequenzgang des Testmikrofons. Da es nahezu Freifeldbedingungen sind, ist die Position der Mikrofone nicht ganz so kritisch. Entscheidend ist nur der Abstand zur Schallquelle. In realen Räumen sollte die Position jedoch millimetergenau wiederholt werden.

Eine Absorberkammer ist unverzichtbar

Der Frequenzgang eines Schallpegelmessers hängt nicht nur von dem Mikrofon ab. Beugungseffekte und Reflektionen an anderen Teilen des Schallpegelmessers können den Frequenzgang deutlich verändern. Daher müssen manche Geräte wie der NTI XL2 in der bauartgeprüften Variante mit abgesetztem Mikrofon betrieben werden.

Ein weiteres Beispiel sind falsch dimensionierte Druckausgleichsöffnungen der Mikrofonkapsel.

Solche Effekte können nur unter Freifeld-Bedingungen ermittelt werden, da nur dann alle Komponenten mit dem Schallfeld interagieren.

Elektrostatischer Aktuator

 

electrostatic actuator ra0014

Eine Freifeldmessung ist für eine Qualitätssicherung während der Produktion viel zu aufwendig. Ähnliches gilt für die laufende Überwachung von Messmitteln in größeren Firmen. Ein Kondensatormikrofon kann nicht nur mit Schall angeregt werden sondern auch durch ein elektrisches Feld. Man schraubt das Schutzgitter ab und ersetzt dies durch ein elektrostatischen Aktuator. Gemessen wird die rein elektrische Übertragungsfunkton zwischen Aktuator und Ausgang des Mikrofons. Für jeweils einen Mikrofontyp muss der Zusammenhang einmalig zwischen Freifeld-Übertragungsfunktion und Aktuator-Übertragungsfunktion gemessen werden. Danach kann durch eine Korrektur der Freifeld-Frequenzgang berechnet werden. Dies funktioniert solange, wie die Grundkonstruktion des Mikrofons nicht verändert wird. Dies Messung ist schnell, unabhängig vom Raum oder anderen akustischen Störquellen. Dieses Messverfahren funktioniert nur mit Kondensatormikrofonen nach DIN/IEC61094 definierten Bauformen. Mikrofone mit fest eingebauten Elektret-Mikrofonen z.B. Behringer ECM8000 oder UMIK-1 können so nicht vermessen werden.

Reziprozitäts-Verfahren

Die Mikrofonkalibrierung nach dem Reziprozitäts-Verfahren wird verwendet, um den Übertragungsfaktor von Laboratoriums-Normal Mikrofone mit geringstmöglicher Messunsicherheit zu bestimmen. Das Verfahren ist international nach DIN/IEC 61094-2 standardisiert. Diese Kalibrier-Methode basiert darauf, dass Kondensator-Mikrofone reziproke Schallwandler sind. Reziproke Schallwandler können sowohl als Schallempfänger als auch als Schallsender eingesetzt werden. Ein Kondensator-Mikrofon funktioniert auch als Lautsprecher. Diesen Effekt nutzt man auch bei elektrostatischen Kopfhörern. Das entscheidende ist, dass die Übertragungseigenschaften in beiden Richtungen umrechenbar sind. Bei der Reziprozitätsmethode werden 2 von 3 Mikrofonen akustisch miteinander gekoppelt, wobei ein Mikrofon als Schallsender und ein Mikrofon als Schallempfänger fungiert . Dieses Verfahren erreicht höchste Genauigkeit und wird in der Praxis von speziellen Kalibrierlaboren und Forschungseinrichtungen verwendet.

Präzisions-Schalldruckkammer

apx 555 mit Präzisions Messkammer

 

 

Ein definiertes Schalldruckfeld lässt sich wesentlich einfacher erzeugen als ein Freifeld. Ein kleiner Lautsprecher dient als Schallquelle und erzeugt ein Druckfeld in einem möglichst kleinen Volumen. In diesem Volumen sind zwei Mikrofone - akustisch gekoppelt - eingebaut. Ein Referenzmikrofon und das zu testende Mikrofon. Beide Mikrofone sind möglichst identischen akustischen Bedingungen ausgesetzt. Es handelt sich daher um eine direkte Vergleichsmethode. Der Frequenzgang des Lautsprechers ist unerheblich. Der enorme Vorteil dieser Methode ist, dass sie ähnlich wie die Methode mit elektrostatischem Aktuator unabhängig vom Raum und anderen akustischen Störquellen ist. Die Mikrofone müssen nicht aufwendig wie bei der Freifeld-Methode im Raum positioniert werden. Es können prinzipiell alle Bauformen von Mikrofonen vermessen werden, sofern diese mechanisch in den Kuppler passen und nach hinten geschlossen sind. Der Frequenzbereich reicht von ca. 30Hz bis 16kHz. Gerade höhere Frequenzen sind für solche Messverfahren eine Herausforderung. Umgekehrt können gerade tiefere Frequenzen, die in einem normalen Raum kaum messbar sind, sehr reproduzierbar und genau gemessen werden. Grundsätzlich können nur Mikrofone ähnlicher Bauweise verglichen werden, da sonst das Schallfeld im Kuppler nicht mehr symmetrisch ist. Weiterhin sollten auch nur Mikrofone mit identischer Entzerrung verglichen werden.

Das obige Bild zeigt einen vollständigen akustischen Messplatz

  • APX555 Audio Analysator von Audio Precision. Dieses Gerät erzeugt auch die Testsignale.
  • Präzision Druckkammer SQ4.2 vpn Spectra. Links ist das Refernzmikrofon, Rechts ist das Testmikrofon. In der Mitte zwischen beiden Mikrofonen ist der Lautsprecher.

 

 

Kundt'sches Rohr

Das Kundt'sche Rohr besteht aus einem Hohlzylinder. In diesem Hohlraum wird ein definiertes Schallfeld erzeugt. Hauptsächlich setzt man diesen Aufbau ein, um Absorptionseigenschaften von Materialien zu vermessen. An einem Ende befindet sich ein Lautsprecher als Schallquelle. Am anderen Ende befindet sich die Materialprobe. An verschiedenen Positionen werden Mikrofone eingebracht, um das Schallfeld zu vermessen. Durch Austausch der Mikrofone, bei sonst gleichen Bedingungen, können Mikrofone verglichen werden.

Direkte Messungen in einem Raum

Es ist sehr schwierig die Übertragungsfunktion eines Mikrofon in einem normalen Raum zu messen. Die Effekte durch Reflektionen überlagern alles. Gerade bei höheren Frequenzen (>300Hz) kann man aber einen Raum effizient mit Absorbern auskleiden. Hier erreicht man mit vertretbarem Aufwand nahezu Freifeld-Bedingungen. Man hilft sich auch, indem man im Nahfeld eines Lautsprechers misst und Reflektionen durch die Auswertung zeitlich wegfiltert. Eine Wellenfront benötigt auch einige Zeit, um beginnend vom Lautsprecher, dann über das Mikrofon, die erste Wand zu erreichen. Man wertet daher nur die erste Wellenfront aus. Das funktioniert aber auch nur bei höheren Frequenzen. Problematisch ist immer die Positionierung der Mikrofone, da das Schallfeld extrem ortsabhängig ist. Es ist zunächst naheliegend die beiden Mikrofone gleichzeitig zu messen. Hier kommt es aber zu unerwünschten Reflektionen zwischen den Mikrofonen, die das Messergebnis erheblich verfälschen können.
Im allgemeinen ist es ungünstig, extrem schmalbandige Signale, wie einzelne Frequenzen mit einem Sinus-Signal zu verwenden. Hier machen sich Raum-Resonanzen besonders stark bemerkbar. Es ist günstiger, schmalbandiges Rauschen (z.B. in Terzbändern) zu verwenden. Dadurch findet schon eine gewisse Mittelung im Frequenzbereich statt.

Kombinierte Verfahren

Druckkammerverfahren eignen sich gut für tiefere Frequenzen. Der konstruktive Aufwand für eine Messbox ist sehr gering. Umgekehrt können höhere Frequenzen in normalen Räumen halbwegs sinnvoll gemessen werden. Die Idee ist, man misst zunächst tiefere Frequenzen im Druckfeld in einer kleinen Messbox und im zweiten Schritt unter quasi-Freifeld Bedingungen in einem akustisch nur grob behandeltem Raum. Die unterschiedlichen Frequenzbereiche werden in der Auswertung kombiniert. Dieses Verfahren findet sich gelegentlich im DIY-Bereich. Im professionellen Bereich verwendet man eher eine Präzionsdruckkammer, die reproduzierbar bis 16kHz einsetzbar ist und in der Serienmessung wesentlich wirtschaftlicher ist. Insbesondere ist der zeitliche Aufwand wesentlich geringer.